Der Mann, der die Inflation beerdigt hat, ist nun selber von uns gegangen

Stefan Riße · Uhr

Der berühmteste Notenbanker meiner Generation ist sicherlich Alan Greenspan. Das liegt zum einen daran, dass er 19 Jahre lang Chef der US-Notenbank Federal Reserve (FED) war, zum anderen aber auch daran, dass sich an ihm die Geister schieden und noch heute scheiden. Für die einen ist er der Magier der Märkte, der den längsten Aktienaufschwung orchestrierte, für die anderen ist er der Wegbereiter der Finanzkrise. Denn unter ihm wurde die Finanzmarktregulierung deutlich gelockert und das Trennbankensystem aufgehoben. Zudem senkte er in jeder noch so kleinen Wirtschaftsschwäche die Zinsen und pumpte Geld ins Finanzsystem. Das verhinderte zwar Krisen, allerdings um den Preis, dass die Kreditvergabe immer weiter angekurbelt wurde und die Schuldenberge unaufhörlich wuchsen. Legendär ist sein Satz nach dem Börsencrash am 19. Oktober 1987: „Zur Not werde ich die Finanzmärkte in Liquidität baden.“

Greenspans Vorgänger war der größere Held

Als Greenspan diesen Satz sagte, war er gerade frisch im Amt. Sein Vorgänger Paul Volcker ist weitaus weniger bekannt. Die jüngeren Wirtschaftsinteressierten bringen seinen Namen eher mit der „Volcker-Rule“ in Verbindung, die er entwarf, nachdem Barack Obama ihn in seinen Beraterstab berufen hatte, um das Finanzsystem der USA vor zukünftigen Krisen besser zu schützen. Er hat sich aber vor allem als Notenbanker um die Weltwirtschaft verdient gemacht, auch verdienter als Greenspan. Als er 1979 sein Amt als Präsident der FED antrat, litt Amerika nach den zwei Ölpreisschocks unter Inflationsraten von teilweise über zehn Prozent. Die Wirtschaft war in den siebziger Jahren bereits durch eine schwierige Stagflation gelaufen. So bezeichnen Ökonomen den Zustand von wirtschaftlicher Stagnation bei gleichzeitiger Inflation. Dennoch hatte er den Mut, der Inflation den Kampf anzusagen und erhöhte die Leitzinsen teilweise auf knapp 20 Prozent. Der Dollar stieg enorm gegenüber den anderen Währungen an, gegenüber der D-Mark sogar auf 3,47. Dies entspräche heute einem Eurokurs von 0,57 US-Dollar. Die US-Wirtschaft erlebte daraufhin erneut eine Rezession und die ohnehin hohe Arbeitslosigkeit stieg weiter. Von vielen Seiten und vor allem aus Europa hagelte es Kritik.

Der Mut zahlte sich aus

Tatsächlich legte der 2,02 Meter große Paul Volcker, der nun im Alter von 92 Jahren gestorben ist, den Grundstein für die wohl längste Aufschwungsphase der US-Wirtschaft. Weil er die Inflation in die Knie gezwungen hatte, konnten die Zinsen Stück für Stück immer weiter gesenkt werden. So wurde die Wirtschaft angekurbelt. Möglicherweise hat sein Nachfolger es damit am Ende ein wenig übertrieben, so dass es zu Verwerfungen an den Finanzmärkten kann, die vor allem mit der Lehman-Pleite und der anschließenden Finanzkrise auch tiefe Spuren in der Realwirtschaft hinterließen. Zuvor auch mal eine kleine Rezession zuzulassen und einige überschuldete Unternehmen und Privathaushalte pleitegehen zu lassen, wäre wahrscheinlich klüger gewesen. Stattdessen kam es dann 2007/08 unkontrollierbar und geballt. Volcker hätte den Mut hierfür wahrscheinlich gehabt. Doch so oder so gebührt ihm der Ruhm als der Zentralbanker, der die wohl entscheidendste Rolle für das unglaubliche Wachstum der Weltwirtschaft in den vergangenen 40 Jahren gespielt hat.

Was würde Volcker wohl in der heutigen Welt tun? Die Zinsen ebenfalls mal wieder kräftig erhöhen? Sicher nicht. Ihm wäre auch klar, dass der Rubikon in Sachen Verschuldung so weit überschritten ist, dass man sich nur noch weiter durchwurschteln kann in der Hoffnung, dass eine mäßige Inflation die Verschuldungsprobleme über einen längeren Zeitraum schleichend beseitigt und ein Inflationsschock vermieden werden kann.

Das könnte dich auch interessieren

Neueste exklusive Artikel