Kein Mitleid mit dem deutschen Sparer

Stefan Riße · Uhr

Als Mario Draghi vor ein paar Tagen als Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) abtrat, da wurde er von den einen gefeiert als der Retter des Euros und von den anderen verdammt als der Raubritter, der dem deutschen Sparer den Zins gestohlen hat. Fraglos kommt auf die deutschen Sparer ein Fiasko zu, die mit Lebensversicherungen und herkömmlichen klassischen deutschen Sparformen wie dem Sparbuch, Festgeld oder Staatsanleihen für ihr Alter vorsorgen. Sie werden keine nominale Rendite mehr erzielen oder wenn, nur eine minimale. Real werden sie selbst bei der kleinen Inflation, die wir aktuell haben, jedes Jahr Geld verlieren und sich arm sparen.

Es gibt Alternativen

Dennoch, Mitleid mit dem deutschen Sparer habe ich nicht. Denn Draghi hat richtig gehandelt mit seiner äußerst expansiven Geldpolitik. Denn es stand unsere gemeinsame Währung – der Euro – auf dem Spiel, und da ging es um viel mehr, als dass das deutsche Sparguthaben noch Zinsen erwirtschaftet. Es ging darum, Verelendung in manchen Ländern der Eurozone zu verhindern, um den Erhalt des sozialen Friedens und des europäischen Projektes, das für 70 Jahre Frieden in Europa gesorgt hatte. Außerdem ist es ja nicht so, dass es keine rentierlichen Anlagen mehr geben würde. Und dabei meine ich jetzt nicht den Kauf von Immobilien und deren Vermietung. Das ist nicht für jeden zu stemmen. Mit der Aktienanlage gibt es eine rentierliche Anlage, die allein durch die Ausschüttung von Dividenden locker drei Prozent erwirtschaftet, gemessen beispielsweise am Deutschen Aktienindex (DAX). Und man muss ja schon längst nicht mehr einzelne Aktien kaufen. Da wäre bei einer breiten Streuung auch schon etwas mehr Vermögen notwendig. Es gibt Aktienfonds, wo ein Anteil um die 100 Euro kostet oder Sparpläne, die mit zehn Euro pro Monat bespart werden können. Jeder Anteil beinhaltet bereits ein international breit gestreutes Portfolio von tollen Unternehmen, deren Kunden wir alle täglich sind.

Niemand soll sagen, er habe es nicht gewusst

Mein Börsenziehvater André Kostolany, den ich in seinen letzten Lebensjahren oft begleiten durfte, zog schon ab den siebziger Jahren als selbst bezeichneter Wanderprediger der Börse durch Deutschland, Österreich und die Schweiz und predigte die Aktienanlage. Als er 1999 starb, hatte er den Staffelstab längst an eine Vielzahl von Börsenexperten übergeben, die seitdem mit der gleichen Botschaft unterwegs sind. Bei aller Bescheidenheit darf ich mich dazu zählen, bin ich doch seit dem Jahr 2000 immer wieder bei Banken, Sparkassen, auf Börsentagen und Anlegermessen mit der Botschaft unterwegs, dass die Aktienanlage keine Spekulation ist, sondern eine Beteiligung an Unternehmen. Dennoch ist die Zahl der Aktienanleger in Deutschland bis heute eine Minderheit geblieben. Das Risiko sei ihnen zu hoch, argumentieren viele bis heute. Dabei zeigt die Jahrzehnte lange Historie, dass die Anlage in Aktien weniger Risiken beinhaltet als in Geldwerte investiert zu sein. Denn die Inflation und so manche Währungsreform haben Sparer schon ihr Vermögen gekostet.

Ein Hoffnungsschimmer am Horizont

Wer die gesamte Bevölkerung betrachtet, wird berechtigter Weise einwenden, dass untere Lohngruppen gar nicht in der Lage sind, Geld für das Alter zurück zu legen, weil sämtliches Einkommen für den Lebensunterhalt benötigt wird. Das ist sicher richtig. Nur dieser Teil der Bevölkerung könnte auch auf dem Sparbuch nichts sparen. Da ist es dann ohnehin egal, wie hoch der Zins ist. Hier muss die staatliche Rente greifen und die Politik ist gefragt, diese sicher zu machen, oder was viel besser wäre, die private Altersvorsorge massiv zu fördern. Einen kleinen Hoffnungsschimmer gab es aber zuletzt im Land der Aktienmuffel. „Welche Geldanlageformen halten Sie in der Niedrigzinsphase für geeignet?“, fragte die Sparkassen-Finanzgruppe deutsche Sparer jüngst. 42 Prozent nannten Aktien, die damit am besten abschnitten. Gegenüber 2018 eine Verdoppelung. Da hatten Immobilien noch am besten abgeschnitten.

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